Mehr als Marketing: Die Marke als Asset

Ein starker Consumer-Brand kann mehr, als nur Konsumenten zu überzeugen. Eine Marke ist zudem ein wertvolles Asset im Firmenvermögen. Investments in die eigene Marke sind daher mehr als eine reine Marketingmassnahme: Als immaterielle Güter steigern sie das Unternehmensvermögen ebenso wie Immobilien oder andere materielle Güter. In der Bilanz wird das Asset Marke jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen sichtbar.

Von Thomas Hotko, Mario Situm und Giuseppe Sorrentino

So sehr Konsumenten starken Marken vertrauen und sich in ihren Kaufentscheidungen von ihrer Markenloyalität leiten lassen, so unterbewertet ist die betriebswirtschaftliche Bedeutung der Marke in vielen Unternehmen. Das Potenzial der Marke als bewertbares, eigenständiges Asset wird noch viel zu selten gehoben. Daher wird die Markenpflege häufig den Marketingabteilungen und den Kreativen überlassen, anstatt sie zur Chefsache für CEO und CFO zu machen. Dabei trägt eine gut gepflegte Marke deutlich zum Unternehmenswert bei.

Im Schnitt rund 30 bis 40 Prozent vom Unternehmenswert können bei starken B2C-Brands der Marke zugeschlagen werden, schätzen Finanzexperten auf Basis von empirischen Studien. Und auch in Relation zum Jahresumsatz können sich die Prozentsätze sehen lassen, die sich durch den Markenwert ergeben. Je nach Branche – und natürlich der Stärke der Marke – können Markenwerte bis zu 45 Prozent vom Jahresumsatz ausmachen, vor allem bei Lebensmittel- und Getränkeherstellern und in der Textilindustrie. So gesehen kann man bei Ausgaben für die Markenpflege mit einem auffallend hohen Return-on- Investment rechnen.

Gründlich erforscht: Marke treibt Kaufentscheidungen

Der hohe Wert einer starken Marke liegt auch im Wettbewerbsvorteil begründet, den sie bringt. Die Wirkung von Marken auf die Kaufentscheidungen von Konsumenten ist gründlich erforscht: Psychologisch betrachtet, verlässt sich der Kunde auf das Leistungsversprechen einer Marke und zieht sie anderen, für ihn weniger vertrauenswürdigen Marken vor. Das gibt ihm als Konsumenten die Zuversicht, dass seine Erwartungen an das Produkt erfüllt werden, und nimmt ihm die Angst vor einem Fehlkauf. Konsequent aufgebautes Vertrauen von Kunden in eine Marke ist ein wesentlicher Treiber für Loyalität und Kundenbindung. So wird die Marke zum kostbaren, wenn auch nicht immer sichtbaren Vertrauenskapital, das Wettbewerbsbarrieren schafft sowie das Kaufverhalten des Konsumenten prägt und damit Cash Flows absichert.So überrascht es nicht, dass 91 Prozent des deutschen Top-Managements in der Marke die wichtigste Ein fu?r den Unternehmenserfolg sehen. Eine Marke als überzeugendes Bindeglied zum Konsumenten und als strategisches Instrument zu etablieren, muss daher wesentliches Ziel jedes Unternehmens sein. Abgesehen von ihrer unbestrittenen Bedeutung für den Markterfolg, schafft die Marke aber auch echte Vermögenswerte. Doch in vielen Unternehmen gilt Markenpflege als blosse – vielleicht sogar lästige – Marketingausgabe und noch nicht in ausreichendem Mass als solides Investment in bewertbare Assets.

Unsichtbare Assets mit messbarem Wert

Für viele Entscheidungsträger ist die Marke als immaterieller Vermögensgegenstand noch schwer vorstellbar. Ein Grund dafür liegt im Bilanzierungsverbot, dem selbst aufgebaute Marken nach nationalen und internationalen Rechnungslegungsvorschriften unterliegen. Dadurch scheint der Markenwert in der Bilanz nicht auf und bleibt fu?r alle Stake- und Shareholder ein unsichtbares Asset. Der tatsächliche Wert der Marke liegt für Führungskräfte und die Bilanzadressaten meist im Dunklen. Aufschlussreich sind unabhängige Gutachten nach internationalen Normen, die den Wert der Marke ermitteln und dadurch darstellbar machen.

Vom Recht, den Markenwert im Anhang zum Jahresabschluss freiwillig zu erwähnen, machen überraschenderweise die wenigsten Unternehmen Gebrauch. Die Relevanz wird jedoch erkannt, so auch vom bayrischen Chemiekonzern «Wacker Chemie AG», der in den Lageberichten von 2015 bis 2018 diesen Satz anführt: «Ein bedeutender Vermögenswert, der nicht in der Bilanz erscheint, ist der Markenwert von Wacker und der jeweilige Wert anderer Marken des Konzerns. Bekanntheit und Reputation unserer Marken sehen wir als wesentlichen Einflussfaktor für die Akzeptanz unserer Produkte.»

So wird die Marke zum ausgewiesenen Asset

Während selbst entwickelte Marken bilanziell unsichtbar sind, scheint der Markenwert nach einem Unternehmensverkauf sehr wohl in der Bilanz des Käufers auf. Auf Basis des bezahlten Kaufpreises weist der Käufer der Marke ein bilanziell relevantes Preisschild zu und macht sie damit in seinen Büchern als Asset für alle Interessensgruppen sichtbar. Dieser Umstand ebnet auch einen möglichen Weg, den Spielraum für die optimierte Nutzung der eigenen Marke zu erweitern: die Markenausgliederung in eine Markenverwaltungs GmbH.

Ähnlich wie bei anderen Verwaltungs GmbH, beispielsweise für Immobilien, kann die Marke einer eigens dafür gegründete Gesellschaft übertragen werden – durch eine Einlage oder Verkauf. So wird der Markenwert im Jahresabschluss der neuen Gesellschaft sichtbar. Durch die Erlöse aus dem Verkauf der Marke kann die Muttergesellschaft zudem ihre Liquidität erhöhen. Notwendige Grundlage für eine Markenausgliederung ist eine solide Bewertung der Marke nach international anerkannten Standards.

In drei Schritten zur Markenausgliederung

Schritt 1: Gründung einer Markenverwaltungs GmbH (IP Holding)

Schritt 2: Entkopplung der Marke vom operativen Geschäftsbetrieb durch Übertragung an die Markenverwaltungs GmbH – durch Verkauf oder als Sacheinlage

Schritt 3: Rücklizenz von der Markenverwaltungs GmbH zur operativen Gesellschaft eine Rücklizenz für die Nutzung der Marke – als Sale-and-Lease- Back- oder Sale-and-Rent-Back-Modell

Optionaler Schritt 4: Lizenz an weitere Produkthersteller. Kann auch eine andere Marke des übertragenen Produktportfolios sein (Markendehnung, Co-Branding, Expansionsstrategie)

Eigenständiges Wirtschaftsgut

Unabhängig von ihrer bilanziellen Sichtbarkeit ist eine Marke nach dem Markengesetz ein frei verfügbares Wirtschaftsgut. Damit kann sie auf Dritte übertragen werden, Gegenstand einer Lizenzierung sein und belastet werden, etwa durch eine Markenverpfändung mit Eintrag ins Markenregister. Der Vorgang gleicht der Belastung einer Immobilie und der Eintragung ins Grundbuch. Der Unterschied liegt darin, dass das betreffende Asset einmal physisch vorhanden und in der Bilanz ausgewiesen ist, während die Marke gedanklich in den Köpfen der Verbraucher existiert. Ihre Nicht-Sichtbarkeit ist jedoch mit Irrelevanz keineswegs gleichzusetzen. Genau wie Patente und Technologien leisten Marken einen wertschöpfenden Beitrag zum Unternehmenserfolg.

Ironischerweise darf man in Krisensituationen zur Abwehr einer bilanziellen Überschuldung, Marken wertmäßig im Überschuldungsstatus aufnehmen – womit die stille Reserve plötzlich relevant und sichtbar wird. Für die Rettung eines Unternehmens wäre es in vielen Fällen besser gewesen, früher in die Stärke der Marke zu investieren und alle damit verbundenen Potenziale, wie sie ein starkes Asset eben bringt, zu nutzen.

Dieser Text erschien im Magazin der Universität St. Gallen Ausgabe 2/2019.

Mag. Thomas Hotko ist Geschäftsführer & Managing Partner bei Brainds Marken und Design GmbH, Wien (hotko@brainds.com).

Prof. (FH) Dr. Dr. Mario Situm, MBA, ist Studiengangsleiter Unternehmensführung an der FH Kufstein Tirol (Mario.Situm@fh-kufstein.ac.at).

Giuseppe Sorrentino, M.A., ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der FH Kufstein Tirol und Consultant bei Brandstock AG, München (Giuseppe.Sorrentino@fh-kufstein.ac.at).