Linz City Branding - Interview
Brainds durfte Linz auf dem Weg zum neuen City Branding begleiten. Im Interview verraten Dr. Jürgen Tröbinger von der Stadt Linz und Mag. Thomas Hotko von Brainds unter anderem, wie der City Branding Prozess aussah, welche Ergebnisse gewonnen wurden und wie man schafft, dass sich Bürger/innen einer Stadt mit einer Stadtmarken-Strategie identifizieren.
im Interview:
Dr. Jürgen Tröbinger, Direktor Kommunikation und Marketing im Magistrat der Landeshauptstadt Linz. (JT)
Mag. Thomas Hotko, Partner bei Brainds (TH)
Interview mit Jürgen Tröbinger
Die Stadt Linz hat sich auf den Weg gemacht, ihre Marke weiterzuentwickeln. Was war die Hauptmotivation, diese Aufgabe anzugehen?
JT: Dass Linz eine gute Stadt zum Leben und Arbeiten ist, das wissen ja wir Linzerinnen und Linzer natürlich genau. Es ist aber so, dass wir natürlich auch den Menschen über die Stadtgrenzen, im Bundesland, in Österreich, aber auch darüber hinaus sagen oder zeigen wollen, dass die Kombination aus gewissen Eigenschaften in der Stadt wirklich nur Linz hat und, dass Linz nicht nur für die, die dort wohnen viel bietet, sondern auch jenen etwas bieten soll, die sich jobmäßig etwas anderes suchen oder die Stadt kennenlernen wollen. Und das war unsere Motivation zu zeigen, dass Linz viel zu bieten hat und eben auch über Grenzen hinaus.

Sie haben sich als Partner Brainds an Bord geholt für diesen Prozess. Was war Ihnen bei der Wahl Ihres Partners wichtig?
JT: Wichtig war primär mal, dass der Partner professionelle Leistung anbietet und hohe Sachkompetenz sowie Erfahrung mitbringt. Das war uns sehr wichtig. Die Agentur hat auch Erfahrung in anderen Projekten. Und last but not least: auch die Flexibilität. Es ist die Stadt Linz, wir sind doch über 200.000 Einwohner groß, eine vielfältige Stadt, mit sehr vielfältigen Rahmenbedingungen und da braucht es einen Partner, der auf den Kunden und auf dessen Bedürfnisse gut eingehen und die Stakeholder verstehen kann. Und wenn am Ende des Tages mit diesen, ja doch auch fordernden Rahmenbedingungen, ein super Ergebnis dabei rauskommt, dann weiß man, dass das die richtige Wahl ist und man die richtige Agentur genommen hat.
Was würden Sie sagen, hat der Markenprozess bisher an Ergebnissen gebracht?
JT: Sehr viele. Und was interessant ist: Wir sind draufgekommen, dass die Stakeholder der Stadt – große Firmen, Institutionen, Bildungseinrichtungen und deren Vertreter – eine starke Marke wollen. Sie sehen, dass sie von einer starken Stadtmarke profitieren, auch für die eigene Organisation. Und deshalb sind sie auch wirklich dabei und machen mit. Das Wort ist zwar etwas überstrapaziert, aber in dem Fall stimmt’s – es ist eine echte, „authentische“ Verbundenheit mit der Stadt und darum war die Zusammenarbeit gut. Auf dem bauen wir auf, wenn wir die Marke herzeigen und sichtbar machen: die Verbundenheit zur Stadt durch die Organisationen, durch die Stakeholder, die dies mittragen und herzeigen.

Gibt es vielleicht etwas, das Sie in diesem Prozess überrascht hat und womit Sie gar nicht gerechnet hätten?
JT: Das Wir-Gefühl hat mich überrascht, und zwar von allen, die mitgemacht haben. Es waren nicht nur die Stakeholder, sondern auch die Bevölkerung im Rahmen der Online-Umfrage. Das Feedback, das wir bekommen haben, ist, dass allen, die an dem Markenprozess mitgearbeitet haben, etwas daran liegt, Linz so zu zeigen, wie es ist: Welche Vorzüge die Stadt hat, wie gut man hier leben kann, was sie alles bietet in allen Facetten, und ein gewisser Stolz auf die Stadt, den man nach außen tragen will. Und auch das ist in den Workshops herausgekommen: Die Linzer sindoft etwas zu bescheiden und das ist fast eine falsche Bescheidenheit, denn in Linz passiert Herausragendes auf allen Ebenen. Es geht darum herzuzeigen, was in Linz alles geht und das mit Stolz nach außen tragen. Das Wir-Gefühl und der Stolz auf die Stadt sind überall spürbar. Das ist eine ehrliche und authentische Geschichte. Das ist nicht aufgesetzt und das findet man vielleicht im Marken/Branding-Bereich selten, dass die Leute wirklich mit Herzblut dabei sind.
Sie sind ja selbst Bürger der Stadt und sogar in Linz geboren, also man könnte sagen, Sie sind ein waschechter Linzer – was bedeutet die Vision „Future City of Respect“ für Sie ganz persönlich?
JT: Dass wir eine Stadt der Zukunft sind, aber eine Stadt mit Herz. Dass wir nicht eine kalte, futuristische City sind, die kühl ist, die technokratisch ist und wenig menschlich, sondern wirklich, dass bei uns die Kombination mit dem Miteinander, der Lebendigkeit der Stadt gemeinsam mit dieser Zukunftsausrichtung geht. Das macht auch den Charme der Stadt aus. Und auch die Fusion dieser Elemente – der Menschlichkeit, die Zukunftsorientiertheit und den Respekt – abschließend dann gut zusammenfasst.

Welchen Nutzen wird Linz aus Ihrer Sicht langfristig aus der Markenarbeit ziehen können?
JT: Hoffentlich in allen Bereichen, die der Stadt zum Prosperieren weiter verhelfen. Das ist aber nicht nur wirtschaftlich gedacht, sondern wirklich auf allen Ebenen – auch im Sozialen oder im Ökologischen etwa. Dort in diesen einzelnen Facetten der Stadt, in allen Dimensionen, wirklich etwas Positives auszulösen, das die Stadt einfach nach vorne bringt. Dass sich mehr Unternehmen ansiedeln, sei es, dass die Einwohnerzahl wächst, sei es, dass wir noch mehr kulturelle Veranstaltungen haben, noch vielfältigere. Da kann eine Markenarbeit schon eine gewisse Anziehungskraft zur Stadt entwickeln und dort in allen Bereichen und neue Entwicklungen wie ein Katalysator vorantreiben.
Was würden Sie denn anderen Städten empfehlen, die sich ebenfalls professionell mit Marke beschäftigen wollen?
JT: Planmäßig vorgehen, viele Stakeholder an Bord holen – was vielleicht am Anfang mühsam ist, wenn man sagt, je mehr Menschen mitreden, desto schwieriger wird es, Entscheidungen zu finden. Aber ich glaube mit einem gut aufgesetzten Prozess, ist sowas gut umsetzbar. Ein Prozess, der den unschlagbaren Vorteil hat, extrem viele Ideen generieren zu können, auf die man selber vielleicht gar nicht kommt, weil man immer in seiner eigenen Suppe umeinander rudert. Man hat Inputs von Außensichten, von anderen Bereichen, von anderen Gesellschaftsbereichen, die man selber so nie hätte, und last but not least Unterstützung anschließend in der Markenkommunikation. Partner, die das mitentwickeln, das wirklich mittragen, bei der Entwicklung dabei sind und das eben auch mit einer gewissen Ehrlichkeit machen. Da hat man wirklich starke Partner, um das nach außen zu kommunizieren und den Menschen zu zeigen.
Interview mit Thomas Hotko
Sie haben München und Wien schon in Markenprozessen begleitet. Was war das Besondere an der Aufgabenstellung in Linz?
TH: Linz ist eine besondere Stadt. Linz hat immer schon etwas in der Zukunft gelebt. Vor mehr als 20 Jahren hat man die Ars Electronica in die Welt gesetzt – eines der größten Kulturfestivals und eine Institution für elektronische Kunst – und es gibt auch andere Formate wie die Klangwolke oder den Höhenrausch – sehr viele neue Formate, die das Stadtleben modernisieren. Es gibt ja auch diesen alten Spruch „In Linz beginnt’s“ d. h. Linz lebt immer schon ein bisschen in der Zukunft. Sie ist zwar historisch eine große Stadt, eine Industriestadt, war aber 2009 Kulturhauptstadt, und hat eben beschlossen, 2019 – zehn Jahre nach dem Kulturhauptstadtprogramm, wo auch der letzte Schub in der Stadtentwicklung war – die Markenstrategie anzugehen und das wirklich professionell. Die Ansage: Wir brauchen eine neue Stadtmarkenstrategie für die nächsten 10-15 Jahre. Das war das Besondere in Linz.

Worauf kommt es an, dass so ein Prozess gelingt?
TH: Ja, es gibt viele Elemente, auf die es ankommt. Das wichtigste ist die Professionalität des Auftraggebers und auch sein Anspruch. Also sozusagen zu wissen, dass man eine Stadt[marke] nicht aus einer Kommunikationsabteilung alleine heraus entwickeln kann. Sondern, dass es darum geht, die wirklich wichtigsten Stakeholder mit an Bord zu haben. Und das beginnt bei Bürgermeister, Gemeinderat und geht auf die nächsten 50 oder 100 Top Stakeholder der Stadt. Das können Unternehmensleiter sein, oder auch große Magistrate, Vereine, Institutionen sein. Aber sich wirklich sozusagen mit den wichtigsten Meinungsmachern der Stadt an den Tisch zu setzen und in Workshops gemeinsam zu erarbeiten, was man wirklich möchte. Denn es geht bei Stadtmarke eher um die Identität der Stadt und nicht um ein Marketing- oder Kommunikationskonzept. Und daher muss man wirklich einen bisserl tieferen Prozess aufsetzen als in reinen Kommunikationsprojekten und wirklich schauen, dass sich die Stadt ihre Meinung und ihren Willen bildet, wohin sie sich entwickeln soll, was sehr wichtig ist. Und das hat Linz gut mitgebracht und deswegen glaube ich, hat der Prozess ganz gut funktioniert.
Welche Aussage kann man beim Return on Investment bei Stadtmarken treffen?
TH: Das ist eine ganz interessante Frage, weil der Return on Investment bei allen Marketingbereichen noch nicht so gut gemessen wird, wie man heute eigentlich könnte. Man kann ihn messen über Bekanntheit, Image und auch Markenwert. Bei einer Stadtmarke geht‘s eigentlich darum, bei den wichtigsten Zielgruppen einerseits Bekanntheit aufzubauen – wenn man z.B. in London „Linz“ sagt, haben die Leute eine Assoziation dazu oder nicht – aber es geht auch darum, Vertrauen und positive Assoziationen mit dem Stadtnamen aufzubauen. Eines der wichtigsten Zielfelder ist natürlich Unternehmen anzusiedeln und das ist als kleines Rechenbeispiel eigentlich auch sehr einfach: Wenn man ein Unternehmen mit 50 Mitarbeiter/innen ansiedelt, dann bleibt es die nächsten 50 Jahre wahrscheinlich auch da. Dann kommen 50 neue Familien in die Stadt oder Jobs in die Stadt, und dann kann man sich den Return on Investment allein darüber vorstellen. Es geht aber in vielen Städten auch darum, Bürger zu halten, sozusagen dass sie ihre Stadt mögen und gerne hier bleiben. Wir haben gerade in Deutschland viele Abwanderungsstädte – es geht darum auch Bildungsinstitutionen oder Kultureinrichtungen anzuziehen und nicht zuletzt immer auch Touristen und Touristinnen anzuziehen. Da geht’s manchmal auch darum, einfach mehr Tourist/innen anzuziehen. In Zeiten wie diesen geht es auch darum, vielleicht besser zahlende Tourist/innen anzuziehen. Und d. h. der Return on Investment kann bei einer Stadt in jeder Stakeholder-Gruppe angestrebt und gemessen werden. Gute Markenprozesse für Städte sind natürlich nicht ganz billig, aber sie können einen enorm hohen ROI bewirtschaften, oft im siebenstelligen Bereich.

Wie kann man dafür sorgen, das sich die Bürgerinnen und Bürger einer Stadt mit der Markenstrategie identifizieren, dafür sogar Begeisterung aufbauen und sich im besten Fall auch aktiv damit auseinandersetzen?
TH: Da steckt in der Frage schon ein bisschen die Antwort drin: Wir arbeiten da nach dem Prinzip „wollen, wissen, können“ – zuerst müssen die eigenen Bürger das wollen. Dazu muss man als Stadt Identifikationsangebote aufbauen und eine gute Kommunikation aufsetzen. Man sollte auch eine Vision anbieten können, hinter der sich viele versammeln können, vielleicht auch gute Symbole und Rituale entwickeln. Denn das Wollen muss wirklich freiwillig kommen und muss als Erstes kommen d. h. man beginnt mit Stadtmarke im Innen zu arbeiten.
Das Zweite ist Wissen: Linz hat zum Beispiel einen täglich erscheinenden Newsletter, sehr kurz, aber da sind die wichtigsten Markenbotschaften in tatsächlichen Angeboten verpackt; also in Kulturangeboten, sozialen Angeboten, Jobangeboten, Events – das ist sehr geschickt gemacht, da kann Linz stolz drauf sein. Da kommuniziert man sehr stark und nahe an der Marke. Und nachdem in einer Stadt sehr viele Organisationen kommunizieren, muss man diese alle in die Lage versetzen, richtig zu kommunizieren, richtig im Sinne der Markenstrategie und der Vision und den Werten. Das heißt, das erzeugt dann das Wissen in der Stadt, was man eigentlich erzählen will. Da scheitern schon viele Städte, wo dann Dritte die Geschichte machen, was über die Stadt erzählt wird.
Und das Dritte ist Können. Und zum Können muss man die Menschen ein bisschen in die Lage versetzen, diese Markenstory zum Beispiel auch so aufzubereiten, dass andere sie weitererzählen können. Zum Können gehört auch, dass die Bevölkerung mitarbeiten darf in Markenprojekten. In Linz hat sich beispielsweise ergeben, dass möglicherweise ein elektronisches Wappen etwas Interessantes sein könnte – sozusagen das historische Wappen wirklich in die Zukunft zu tragen und da plant man nun mit der Ars Electronica oder der Kunstuniversität, Menschen aus der Bevölkerung einzubeziehen und das gemeinsam zu entwickeln.
Das letzte ist, was ich mitgeben kann ist, möglichst spät oder gar nicht an Werbung zu denken. In den USA sagt man „Advertising is the tax you pay for not being remarkable“. Werbung ist die Steuer, die man zahlt, weil man nicht bemerkenswert ist. Da geht’s glaub ich darum, im Können müssen Städte versuchen, das herauszuarbeiten, worin sie wirklich gut sind und auch bemerkenswert sind. Dann kann das wirklich von selber weitererzählt werden. Das würde ich mitgeben, wie man mit der Stadt arbeitet. Und eben wirklich von innen beginnen. Es gibt in jeder Stadt unendlich viele Stakeholder-Gruppen – aus dem Bildungsbereich, aus dem Sozialbereich, aus dem Sportbereich – bis diese alle soweit sind, dass sie verstehen, wohin die Stadt will, das dauert schon ein Stückchen. Und damit sollte man beginnen.
Welche Stadt würden Sie gerne als nächtes beraten?
TH: Welche Stadt? Das ist einfach: Meine Heimatstadt Salzburg, in der auch noch mein Elternhaus steht. Das wäre sehr spannend! Salzburg hat eine unendlich reiche Geschichte, ist heute sehr stark besetzt über die Festspiele, über die Mozartkugel und Mozart generell. Aber ich bin mir nicht sicher, ob sich die Stadt schon ausgetauscht hat, wofür Salzburg 2030 stehen soll. Was man da vielleicht auch tun kann, um die eigene Bevölkerung stark mitzunehmen, weil viele Angebote heute für Tourist/innen oder Kulturinstitutionen sind. Für Salzburg würde ich sehr gerne arbeiten.