Arbeitgebermarke: Wiener Stadtwerke machen sich fit für den Klimawandel

Interview im deutschen HR-Fachmagazin „personal manager“

Erschienen in der „personal manager“ Print-Ausgabe 01/2022

Die Wiener Stadtwerke haben mit der Unternehmensberatung und Designagentur Brainds eine Arbeitgebermarkenstrategie entwickelt, die stark auf ökologische Nachhaltigkeit setzt. Das geschah in einem sehr partizipativen Prozess, in den auch jene eingebunden wurden, die der Klimawandel besonders betrifft – die jüngere Generation. Im Interview berichten vier Beteiligte aus der „Next Generation“ über den Prozess und seine Ergebnisse.

 

Christine Sabongui, Mitarbeiterin der Konzernkommunikation der Wiener Stadtwerke, Employer Branding und Lehrlingskommunikation

Gernot Sauer, Nachhaltigkeitsmanager bei den Wiener Stadtwerken, Nachhaltigkeits- und Klima-Experte

Tijana Pavlovic, Mitarbeiterin der Konzernpersonalentwicklung der Wiener Stadtwerke, Employer Branding

Teresa Egle, Beraterin bei Brainds für Marken und Arbeitgebermarken sowie Experience-Design

Interview geführt von: Bettina Geuenich, vom „personalmanager“-Magazin

Interview Personalmanager Employer Branding und die Klimachance

Die Stadt Wien möchte bis zum Jahr 2040 „klimaneutral“ sein. Was bedeutet das und welche Rolle können die Wiener Stadtwerke dabei spielen?

Gernot Sauer: Im Kern bedeutet es, dass die Wiener Stadtwerke-Gruppe ihre Produkte und Dienstleistungen emissionsfrei beziehungsweise stark emissionsreduziert im Auftrag unserer Eigentümerin, der Stadt Wien, anbietet. Das ist unser Beitrag, um die Lebensqualität auch für künftige Generationen sicherzustellen. Die Wiener Stadtwerke-Gruppe ist DER Klimaschutzpartner der Stadt. Durch unsere Verkehrs- und Energieinfrastruktur halten wir Wien zu jeder Tages- und Nachtzeit am Laufen. Wien Energie investiert beispielsweise in den nächsten Jahren rund eine Milliarde Euro in das Energiesystem der Zukunft und forciert damit den Ausbau erneuerbarer Energien. Die Wiener Linien bieten jeder Wienerin und jedem Wiener bereits jetzt die Möglichkeit, klimafreundlich unterwegs zu sein. Der Öffi-Ausbau U2xU5 ist aktuell das größte Klimaschutzprojekt Wiens und erweitert das klimafreundliche Verkehrsangebot maßgeblich.

Wiener Stadtwerke Wiener Linien UBahn Wien

Das heißt, die Stadtwerke-Gruppe hat starke Hebel in der Hand, um Wien klimafreundlich zu machen. Vor diesem Hintergrund hat der Konzern begonnen, eine neue Arbeitgebermarken-Strategie zu entwickeln. Wie sind Sie dabei vorgegangen?

Teresa Egle: Der Prozess war sehr partizipativ. Mittlerweile haben wir 150 Führungskräfte und Mitarbeitende involviert. Begonnen haben wir mit einer Analysephase, in der wir Interviews mit allen Top-Führungskräften der verschiedenen Konzernunternehmen geführt haben. Es folgten vier Explorations-Workshops, in denen wir erfasst haben, wie die Beteiligten die Arbeitgebermarke heute erleben, zum Beispiel bei der täglichen Arbeit, bezogen auf Führung, Innovationen und Change. Am Ende der Analysephase haben sich Optionen für die Positionierung abgezeichnet, die wir in einem „Strategielabor“ genauer betrachtet haben.

Tijana Pavlovic: Dabei haben wir in Workshops mit den Geschäftsführungen der Konzernunternehmen die Strategie-Optionen verdichtet und geprüft, wie gut sie zu uns passen. Am Ende war klar, dass die Ausrichtung auf Wien und dem Klima liegen soll. Diese strategische Ausrichtung zeigt, wo wir herkommen, aber auch, in welche Zukunft wir gehen wollen.

Wiener Stadtwerke EmployerBranding_Klimawandel Interview Spittelau

Wie heißt das Arbeitgeberversprechen, das sich daraus ergibt?

Christine Sabongui: Das Arbeitgebermarkenversprechen der Wiener Stadtwerke-Gruppe ist, dass man bei uns  Talente einsetzt, um Wien am Laufen zu halten und klimafit für die Zukunft zu machen. Das heißt, wir positionieren uns als Arbeitgeberin für alle, die sich mit Herz und Hirn für die Klimazukunft der Stadt stark machen. Das beschreibt auch der Claim der Employer Branding-Kampagne „Gemeinsam machen wir die Klimawende wahr“.  Und alle Mitarbeiterinnen der Wiener Stadtwerke-Gruppe tragen als Klimapioniere und Klimapionierinnen zu diesem Versprechen bei.

Es liegt auf der Hand, dass hier Handlungsbedarf besteht, nicht nur für heutige Generationen, sondern auch für künftige. Wir zeigen, dass wir uns dieser Verantwortung bewusst sind. Denn wir sehen, dass die jungen Leute aufstehen und Handlungen erwarten – und uns ist es wichtig, sie auch an Bord zu holen.

Wiener Stadtwerke Employer Branding Klimawandel Interview MitarbeiterInnen

Wiener Stadtwerke Employer Branding Klimawandel Interview Mitarbeiter

Wie haben HR und Kommunikation im Strategieprozess und der Umsetzung zusammengearbeitet?

Der Prozess hat die Zusammenarbeit von Human Resources und Kommunikation sehr gestärkt, weil beide Seiten im Arbeitgebermarkenprozess gefragt sind. Dabei hat sich auch noch mal das Bewusstsein für Employer Branding geschärft. Oft redet man von Employer Branding und meint damit Personalmarketing oder Recruiting. Aber dass Employer Branding viel mehr umfasst und bis in die strategische Entwicklung des Unternehmens hineinreicht, ist in diesem Prozess sehr klar geworden.

Wie erwecken Sie nun die Strategie zum Leben?

Sabongui: Wir haben im vergangenen November die Kampagne „Gemeinsam machen wir die Klimawende wahr“ gestartet. Darin erzählen wir, wofür wir stehen und machen die Wiener Stadtwerke-Gruppe sichtbarer. Vielen Wienerinnen und Wienern ist nicht klar, welche Konzernunternehmen zu unserer vielseitigen Gruppe dazu gehören. Das wollen wir mit der Kampagne ändern. Auch intern kommunizieren wir die neue Arbeitgebermarkenstrategie, um in dieser großen Gruppe mit 15.000 Mitarbeitenden ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass wir zusammengehören und gemeinsam einen großen Unterschied machen können. Dabei bespielen wir alle Medienkanäle, die uns zur Verfügung stehen.

Pavlovic: Außerdem sind wir gerade dabei, die Strategie in Recruiting, Onboarding und Development zu übersetzen. Wir haben dazu acht Personas entwickelt, die den strategischen wie operativen Personalbedarf repräsentieren und nutzerorientierte Journeys aufgebaut. Nun arbeiten wir bereits an Pilotprojekten, die im Lauf des Jahres 2022 umgesetzt werden. Dabei versuchen wir, mit den jeweiligen Zielgruppen in einen Dialog zu kommen. Beispiel IT: Wir bekommen in diesem Bereich nicht genug Talente, die wir aber für die Digitalisierung dringend bräuchten. Im Strategieprozess haben wir daher Personas entwickelt, unter anderem für IT-Developer.

Egle: Wir haben uns dafür zum Beispiel mit der Zielgruppe IT-Fachkräfte zusammengesetzt, um deren Motive und Bedürfnisse entlang der Candidate und Employer Journey kennen zu lernen – angefangen von den ersten Berührungspunkten mit den Wiener Stadtwerken über die Bewerbung bis hin zu den ersten Berufserfahrungen und der Entwicklung im Konzern. Dabei gab es einige Aha-Momente und Learnings.

Welche zum Beispiel?

Pavlovic: Wir haben gelernt, dass wir im Recruiting für IT-Fachkräfte einen ganz anderen Weg gehen müssen. Es bringt nichts, Stellenanzeigen zu posten oder auf Social Media aktiv zu werden. Stattdessen müssen wir in die Communities hineingehen und Peer-to-Peer-Austausch ermöglichen. Es geht darum, mit den IT-Talenten ins Gespräch zu kommen und einen Bewerbungsprozess zu gewährleisten, bei dem ein Recruiting innerhalb von zwei Wochen kein Problem darstellt. HR ist beim Recruiting im IT-Bereich eher im Hintergrund, wir müssen die Fachexperten in den Austausch zu bringen. Daran arbeiten wir gerade – es ist eines der Pilotprojekte, die 2022 laufen werden.

Das alles geschieht vor dem Hintergrund, dass wir schon jetzt den Fachkräftemangel spüren, vor allem in Technik und IT. Daher starten wir mit einem neuen Traineeprogramm, das im Fokus auf Klimaschutz und Nachhaltigkeit hat.

Wie ist das Klima-Traineeprogramm aufgebaut?

Sauer: Das Traineeprogramm der Stadtwerke-Gruppe gibt sechs Klimapionieren und Klimapionierinnen die Möglichkeit, 18 Monate in das vielfältige Tätigkeitsfeld eines Infrastrukturkonzerns zu schnuppern. Die Teilnehmenden tauchen dabei in mindestens drei verschiedene Konzernunternehmen ein, begleitet von Mentorinnen und Mentoren.. Dabei durchlaufen sie vier verschiedene Stationen von der Forschung über Strategie bis hin zum Betrieb beziehungsweise zur Anwendung und dem kaufmännischen Bereich. Es braucht zukünftig Menschen, die einerseits fachlich-inhaltliche Expertise haben und andererseits ein ganzheitliches, systematisches Verständnis davon, wie die Unternehmen der Wiener Stadtwerke-Gruppe sektorübergreifend zusammenarbeiten. Das Programm steht unter dem Thema Klimaschutz. In allen Stationen geht es darum herauszufinden, wie das eigene Aufgabengebiet zur Klimawende beiträgt. Vernetzung, Weiterbildung und Austausch wird durch ein umfassendes Begleitprogramm  sichergestellt, zum Beispiel durch wöchentliche „Greener-Fridays“ und eine Klima-Community.

Wiener Stadtwerke Employer Branding_Klimawandel Interview Windraeder

Was haben Sie aus dem Strategieprozess für sich persönlich gelernt?

Sabongui: Das Besondere an diesem Prozess war für mich, dass alle involviert wurden – bis hin zu den Lehrlingen. Wir haben sie in verschiedene Workshops mit eingebunden. Sie fühlten sich wertgeschätzt und konnten auch andere Perspektiven einbringen. Ich habe gelernt, dass ein partizipativer Prozess viel Engagement braucht, aber sehr fruchtbar ist. Es ist schön zu sehen, wenn daraus etwas entsteht und Formen annimmt.

Egle: Ein spannendes Learning war, wie wichtig es ist, immer zurück zur Nutzerinnenperspektive zu gehen und ganz unterschiedliche Perspektiven einzubinden, wenn wir eine Arbeitgebermarkenstrategie und deren Umsetzung entwickeln. Ich fand es auch sehr schön, wie viel Zugkraft und Identifikationspotenzial die beiden Themen „Wien“ und „Klima“ hatten, als sie einmal auf dem Tisch lagen. Damit konnten sich alle identifizieren.

Sauer: Für mich wurde im Projekt klar, dass Themen wie Klimaschutz und Zukunftsorientierung bereits tief in der Stadtwerke-Gruppe verankert sind und wir an einem Strang für ein lebenswertes Wien ziehen. Die Sichtbarkeit unserer gemeinsamen Bemühungen im innen und außen könnte noch deutlicher hervorgestrichen werden. Ich persönlich war begeistert von dem Innovationspotenzial und Ideenreichtum unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der gewählte partizipative Prozess ist für mich ein Paradebeispiel für das künftige Zusammenarbeiten in der Wiener Stadtwerke-Gruppe.

Pavlovic: Für mich war ein ganz großes Learning, dass ein Projekt – gerade dann, wenn man so viele Menschen einbindet – niemals so läuft, wie man es am Anfang aufzeichnet. Stattdessen darf es Zwischenbausteine in einem agilen, lernenden Prozess geben. Am Ende kommt man trotzdem zu einem sehr guten Ergebnis.

 

Foto Spittelau, Foto Mitarbeiter,  Foto Windräder: © Wien Energie/FOTObyHOFER
Foto Mitarbeiter*innen: ©  Wien Energie/Ian Ehm


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